KOHELET 3schreibwerkstatt

Fragment 1 - Über die Roma Natur
Nicht einmal durch deine Schrift
Hast du dich eingeritzt in deine Zeit –
Das verlorene Land hat dir nie gehört.
Du hast es ja auch nur „heimgesucht“, „vorübergehend besetzt“, „Dir genommen“ und „wieder gelassen“.
Nie wolltest Du wirklich besitzen.

Tropfend klopft das Nass den Rhythmus einer Melodie.
Es herzt der junge sein Mädchen – die Blume entfaltet sich –
Der Schmetterling schlüpft aus dem knöchernen Zuhause und erprobt seine Flügel

„Es geht ums Fliegen“, sagte die Fliege.
Und der Pilot.
Der Schmetterling aber wusste. Und weil er sich erinnern konnte an seine Zeit als Raupe, wollte erleben wie ein Schmetterling.

Fragment 2
Die Nomadenhaftigkeit wird Dir mehr und mehr bewusst –
die Seele hat Hunger,
der Körper sucht und findet in der Musik,
im Rhythmus, in einer Melodie
vorübergehend Halt, Heimat, ein zuhause, einen Moment Ruhe, Vertrautheit –

ein jeder hungert nach seinen Wurzeln,
ein jeder hat Heimweh nach sich selbst!

Fragment 8
Die fette Dotterblume lebt auf der sauren Wiese.
Der klare Mondschein hat seinen Weg gefunden zu ihm. Ruhig und still schlägt sein Herz und der Atem führt ihn weiter – hinein in einen neuen Tag, hinaus aus dem alten, hinüber in eine noch nicht gewesene Zeit –
Wo wohnen die Traditionen?
Brauchen wir eine Landkarte?
Wohin?
Warum?
Wozu?

Über die Donau und über Dich
Nie bleibst Du, was Du gerade bist,
nie wirst Du sein, was Du gewesen bist –
Dein Fließen ist die Erinnerung an Dich,
Dein Rauschen ist das Suchen Deiner Vergangenheit,
Dein Strömen ist geglückte Harmonie und Überwindung.

Und irgend einmal kommst Du an!
Dein Schwemmgut birgt viel Wissen!

Die Beerenpilze Waldfamilie
Es war einmal ein armes Mädchen, das ging in den Wald, Beeren zu suchen. Seine Eltern waren arme Leute und es gab gerade das Nötigste das man zum Leben braucht. Das Mädchen hatte große starke Träume. Sie liebte es, in den Wald zu gehen. Wunderbar spielte das Sonnenlicht zwischen den Bäumen und schon stand da ein goldenes Schloss zwischen den blauen Beeren. Über das Licht-Spielen vergaß das Mädchen oft, ihr Körbchen zu füllen. Und wenn es dann dämmerte zog es traurig wieder aus dem Wald und ging nach Hause, weil Träume nicht wirklich satt machen, sondern nur das Herz genährt wird.
Einmal geschah es, dass das Mädchen auf einen Jungen stieß, der Pilze suchte. „Was suchst du denn hier?“ fragte er überrascht als sie einander plötzlich gegenüber standen im Waldgesträuch. „Ich suche Beeren“, erwiderte sie höflich und hilfsbereit. „Ach was, Beeren… Ich suche Pilze, da muss man schon klüger und gescheiter sein“, war seine patzige Antwort. „Ich mag keine Pilze, die liegen mir immer nur im Bauch“, antwortete das Mädchen gelassen. Pilze mochte sie wirklich nicht.
„Bist du auch ein armer Junge?“ fragte sie neugierig den Knaben, der unter der Mittagssonne im Wald unter einer hochgewachsenen Kiefer stand. Lange schwieg er. Er hatte soeben erst angefangen, darüber nachzudenken, ob er ein armer Junge sei. „Ja, ich denke schon“, war letztlich die Antwort und ein wenig verzagt klang seine Stimme. Er war nämlich ein stolzer Junge und schämte sich ein wenig.
Nun trafen die beiden sich öfter im Wald. Sie waren Kinder des Waldes. Jeder entfaltete seine Blütenblätter und seinen ganz eigenen Duft zwischen den Bäumen im Unterlaub wo die Pilze und die Beeren wuchsen.
Irgendwann wurden sie Mann und Frau und sonst veränderte sich nicht sehr viel. Sie sammelte Beeren und er sammelte Pilze. Sie wussten, dass sie zusammengehörten und darauf fiel starke Stille in ihre großen Träume. Und dann kamen die kleinen niedlichen Beerenpilzekinder. Alle hatten sie kugelrunde dunkle Augen und sie erforschten den Wald, in dem sie lebten, gerade so als wären sie mitten im New Yorker Dschungel aufgewachsen.
Ab und zu geschah es, dass sie miteinander Spaß hatten und es klang wie Musik. Eine Zeit lang geschah es, dass jeder seine eigene Sprache erfand und Worte die besonders lustig, traurig oder anmutig klangen, wurden von den anderen in ihren Wortschatz aufgenommen und alle teilten Worte miteinander und verschenkten sie, so wie man kleine Päckchen an Freunde verschenkt. Das war ein lustiges kurzweiliges Waldbeerenpilzeleben, das sie da alle miteinander führten.
Je größer die Kinder wurden, desto kleiner wurden die Träume der Eltern. Es gab so viele aufregende Wirklichkeiten. Und der Wald schien zu klein zu werden für das Träumen. Mit jedem Jahresring der sich um die Kiefernbaumstämme mäntelte wurde der Pilzevater stiller und geschäftiger. Vielleicht gehört das zu dem Vatersein dazu, dachte die Beerenmutter, wenn sie ihn müde sitzen sah und wenn er in die Ferne blickte, so als suchte er ein Schiff auf einem Meer mitten im Wald während er Pilze suchte.
Irgendwann – es war ja unausbleiblich – fanden sich alle miteinander mitten in einer menschlichen Gesellschaft wieder. Der Wald war woanders und sie bewohnten eine kleine Wohnung in der gerade noch genug Platz war für ein paar Katzen und einen Hund. Wann immer es die Zeit zuließ, zogen sie ihre festen Schuhe an und gingen miteinander in den Wald. Dann blieben diese Nachmittage aus.
Ab und zu gingen die beiden Eltern miteinander noch in den Wald. Sie hielten sich fest an den Händen und jeder wusste vom anderen dass der jetzt einen wichtigen Traum suchte. Und sie halfen sich gegenseitig beim Aufräumen. Die Sprache der Musik die führte sie alle immer wieder zu einem gemeinsamen Lied. Jeder hatte sein Instrument gewählt und jeder war auch Dirigent und Erfinder und Lehrer. Und alle mussten immer alles – und trotzdem, wenn sich ein Lied durchgesetzt hatte, dann war es wie in der Waldbeerenpilzezeit: Lustig, zeitlos, und alle die es hörten hatten Freude daran. So wuchsen viele Lieder. Es wuchs ein kleiner Musikjungwald in diesen Jahren während aus den Kindern starke junge Menschen heranwuchsen. Der Wald hat sich in die Herzen hineingepflanzt. In jeden der Beerenpilzeleute und so gehen sie in die Welt hinaus und sie sind verbunden miteinander durch die Wortgeschenke, durch die Lieder und durch die Beerenwaldpilzeerinnerungen die tief in ihren Wurzeln leben.
Die Beerenfrau sammelt weiterhin ihre Beeren. Und der Pilzemann sucht seine Pilze. Und wenn der Glücksstern gerade günstig steht, dann finden sie einander wieder in dem Waldgesträuch und er lächelt in ihre Beerenaugen mit vielen Fältchen um seine stillen Augen. Und er fragt nicht mehr: Was sammelst du? sondern er weiß und sie weiß es auch. Nämlich dass sie einander nie verloren gehen werden auf ihrer Suche nach den Beeren und nach den Pilzen.  

Wortbilder
1.  Da ist der tiefe dunkle Wald mit all seiner Gegenwärtigkeit.
Lichtdurchwebte Flecken, die bis zu dem Boden durchkommen und braun, sonnenbraun am Nadel-, Laubboden, still und warm dem Kleingetier als Sonntagsplätzchen dienen.
Es regt sich der bunte Mistkäfer und leuchtet.

2.  Das Wasser im Tümpel regt sich leis und erinnert sich an eine lang verklungenen Weis´.
Weißt du noch, krötet der Frosch mit geblähten Sprechsegeln – die Nachtigall von damals – die hatte eine prachtvolle Stimme!  Ja – wer sagt´s denn!  Leicht kräuselt sich die Oberfläche und lächelt in den Tümpel hinein.  

4.  Das fröhliche Geplätschere der langstieligen Pappelblätter beim goldenen Sonnebaden an einem Frühlingsabend lassen mich an einer lebhafte Liebesstunde denken...

Peloponnes Texte 2001
1.
Das griechische Lied kargt wie Stein und Wein und Staub.
Klagt und lechzt voll Sehnsucht
im alten Wissen, das im Land verborgen.
Die Lust beklagt die Sehnsucht wesend,
der Rhythmus klar, der Gang der Wellen mit dem Wind.
Und blau die Farbe an den Türen
und an den Fenstern.

2.
Die salzige Meerhaut leicht
geschrumpelt,
freundlich das warme Licht
der Mondscheibe –
da und dort ein Sternenknopf
beschreibt das Firmament und
die Zikaden, Grillen schreien
zwischen ulkigen Ölbäumen.
Sie scheinen beim ewigen Tanz stehen geblieben –
so als könnten sie lachend jederzeit mit dem Tanzen wieder beginnen.
Klein und fest gebaut sind sie als wären sie griechische Männer.

Die Freude zu leben
Die Freude zu leben
Tanzt im Bauch,
Klingt in den Ohren,
Blitzt in den Augen,
Prickelt auf der Haut
und lacht in dem Herzen eines jeden Menschen.

Die Freid zu lebn
Tanzt in di Bojch,
Klingt in di Oiren,
Blitzt in die Oign,
Takelt af dejm Hujt
Und lacht in dem Herzer fun ale Menschn.

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